Ein Tag im Disneyland Paris - aus der Sicht als Autist

Dies ist ein Gastbeitrag von Melanie Lachmann. Sie und ihr Sohn sind Autisten und große Disney-Fans. Hier wirst Du erfahren, wie es aus der Sicht eines Autisten ist.

Da ist es schon, das Eingangstor. Viele Menschen stehen dort schon an. Wir suchen uns die Schlange mit den
wenigsten Menschen an, denn wir wollen ja möglichst schnell rein in den Park. Schnell noch einmal meine Kopfhörer zurecht gerückt und nachgeschaut ob die Kopfhörer meines Sohnes richtig sitzen und ob alle Gurte seines Reha Buggys richtig angezogen sind. Voller Freude sitzt er mit seinem Kuscheltier auf dem Schoß da und wartet geduldig bis er endlich an der Reihe ist und seine Jahreskarte einscannen darf. Wir sind hier alle 3 Monate und das Prozedere kennt er schon. Endlich geht’s durch das kleine Häuschen am Eingang und da sind wir endlich. Man sieht die Freude in seinem Gesicht. Von überall erklingen die unterschiedlichsten Geräusche. Stimmen und Sprachfetzen in den unterschiedlichsten sprachen, das Hupen der Autos auf der Main Street, die
Räder der Kinderwägen auf dem Boden, das Lachen und Weinen der vielen Kinder überall. Doch es sind nicht nur die Geräusche. Auch viele Gerüche strömen auf uns ein. Parfum, Deo, Haarspray, der Crepes Stand, irgendwo riecht es nach Kaffee.


Wir laufen die Main Street nach hinten und starten unsere Runde. Wie jeden Besuch müssen wir als Erstes den Drachen in der Höhle besuchen. Danach geht es zu Buzz, Star Tours, BTM und dann zu den Piraten. Dieses Mal
ist Buzz jedoch zu. Doch dieses Mal ist etwas anders als sonst. Schon die letzten zwei Wochen; o haben wir jeden Tag geübt. „Luka was machen wir jetzt?“ „Drache, Buzz geht dieses Mal nicht, wird repariert, weil immer technische Probleme waren, kann man dieses Mal nicht fahren, Star Tours und dann zur BTM und zu den Piraten“, lautet seine Antwort wie aus der Pistole geschossen. Nachdem wir dem Drachen einen Besuch
abgestattet haben, gehen wir Richtung Star Tours. Auf Höhe von Buzz merkt man die förmliche Anspannung. Es passt nicht in seinen Plan. Es ist nicht richtig. Es gehört sich so nicht. Wir steuern Richtung Star Tours und langsam fängt er an sich zu entspannen. Dort angekommen muss er mit Papa ins Star Tours. Ich kann's nicht fahren. Kein 3D sehen. Die Brille drückt hinter den Ohren und die Leute sitzen viel zu eng aufeinander. Also warte ich im Laden. Das Licht ist grell und die vielen Geräusche strömen von allen Seiten auf mich ein. Nach ein paar Minuten sind meine Männer fertig und wir setzen unseren Weg fort. Nachdem alles inklusive der
Piraten abgearbeitet ist, geht’s ums Mittagessen. Wo kann man zum Essen gehen, nicht zu voll sollte es sein, das Essen muss für alle passen und es sollte die Möglichkeit bieten ein wenig auszuruhen. Meist wird’s das Cowboy Cookout oder das golden Nugget. 


Ein weiterer Tag

Luka freut sich schon auf den weiteren Tag. Nachdem die „muss“ Dinge abgearbeitet sind wird es etwas entspannter. Peter Pan und auch die anderen Fahrgeschäfte sind hoch im Kurs und die eine oder andere Figur er auch noch sehen. Der nächste feste Termin ist die Große Parade. Bis dahin wird gemütlich alles Mögliche gemacht. Die Parade ist schön anzusehen, aber mir persönlich auch im Greencard Bereich viel zu voll und zu eng. Luka fällt während der Parade auch sofort auf was anders ist . Mal fehlt eine Figur oder läuft auf der falschen Position oder irgendetwas anderes ist nicht wie gewohnt. Das stört ihn und ist natürlich auch den Rest des Abends Thema. Ich bin in der Zwischenzeit auch etwas müde und genervt. Nachdem ich zum wiederholten Mal angerempelt wurde, bin ich froh, dass sich der Park nun etwas leert. ie Zeit bis zum Feuerwerk wird noch mit allem Möglichen verbracht, nochmal etwas gefahren und durch die Läden geschlendert und natürlich das wichtigste vor dem Feuerwerk, Popcorn.

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Man muss in jedem Fall Popcorn kaufen. Und dann ist es endlich Zeit. Ein kleiner Junge, mit seinem Popcorn und seinem Kuscheltier auf dem Schoß sitzt mit strahlenden Augen da und schaut sich zum bestimmt 1000x gebannt das Feuerwerk an. Auf dem Weg zum Auto beteuert er wie jedes Mal, dass es der schönste Tag war, den er jemals erlebt hat. Obwohl er im Park kaum gelaufen ist, dauert es im Auto keine zwei Minuten und er schläft. In seinem Arm sein Kuscheltier, und ein lächeln auf den Lippen. Morgen geht es weiter. Dann steht die Tag 2 Routine an.


...ist das nicht Anstrengend?

Anstrengend? Keine Frage! Nicht immer einfach? Auch keine Frage!
Viele fragen sich sicher warum wir das überhaupt machen.
Ganz einfach. Wir können dort sein wie wir sind. Dort schaut uns niemand komisch an weil wir Kopfhörer tragen. Mein Sohn hat dort enorm viel gelernt. Er ist selbstbewusster geworden und wächst mit jedem Besuch ein Stück mehr über sich selbst hinaus. Das was ihn im Alltag ausgrenzt und anders macht, macht ihn dort zu etwas besonderem.

Einem stolzen 7 jährigen Kind das sich mit seiner Grünen Karte einen eigenen Foto Termin ausgemacht hat, oder alleine Karussell gefahren ist. Ein Kind das sich selber so akzeptieren kann wie es ist.
Das sich nicht für seine Behinderung schämt sondern im Gegenteil sich deswegen wenigstens für ein paar Stunden besonders fühlen darf. Mein Sohn und ich sind Autisten. Leider erleben wir dort häufig das wir blöd angemacht oder verächtlich angeschaut werden, weil wir eine Greencard haben und diese auch nutzen.
Nur weil es nicht für jeden offensichtlich ist, haben wir doch eine Behinderung die uns im Leben massiv einschränkt. Auch für uns ist dieser Ort wundervoll, auch wenn es für uns mit sehr viel mehr Anstrengung verbunden ist als für normale Menschen, haben wir die selbe Freude an diesen Erlebnissen.
Wir nehmen Dinge vielleicht anders war, aber das ist auch schon alles. Wir mögen nach außen hin nicht auffallen denn Wir haben keinen Rollstuhl oder einen Blindenstock, den man sehen kann. Einige von uns tragen einen Gehörschutz oder halten sehr penibel Abstand zu Personen oder Dingen. Trotzdem haben wir eine Behinderung, die uns vieles nicht so tun lässt wie wir es gerne würden.
Wir haben eine grüne Karte, ohne die uns all das nicht möglich wäre und wir sind sehr froh darüber dass wir diese Chance bekommen.



Bei diesem Artikel handelt es sich um einen Gastbeitrag. Es gibt einen Satz, den jeder sich wirklich merken sollte: "Kennst Du einen Autisten, kennst Du... einen Autisten." Was damit gemeint ist, ist dass Autisten sehr unterschiedlich und je nachdem nicht auffällig sind. Ich habe Luka kennengelernt und wir Beide können super gut miteinander. Er ist einer meiner größten Fans und das hat bei mir auch einen besonderen Status. 

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